Die Bilanzfälschungen beim Zahlungsdienstleister Wirecard haben Zweifel an der Funktionsfähigkeit der bestehenden Vorschriften für gesetzliche Abschlussprüfungen aufkommen lassen. Der inzwischen insolvente Zahlungsdienstleister hatte im Juni Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Mrd. eingeräumt. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass zu einer systemrelevanten Verkleinerung des Prüferpools führen seit 2015 Scheingewinne ausgewiesen hat. Der Schaden könnte sich für die kreditgebenden Banken und Investoren auf 3,2 Mrd. belaufen. Nach Presseberichten plant das Bundesjustizministerium noch im September einen Entwurf für eine schärfere Regulierung von Wirtschaftsprüfern in das Kabinett einzubringen. Dabei geht es insbesondere um die Trennung von Prüfung und Beratung, die Prüferrotation und die Erhöhung der Haftungsgrenze.

In einer Pressemitteilung vom 31. August 2020 warnt der Präsident der Wirtschaftsprüferkammer (WPK), Gerhard Ziegler, vor regulatorischer Schnellschüssen und schlägt folgende Änderungen vor:

  • Wirtschaftsprüfer/Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die Unternehmens von öffentlichem Interesse prüfen, sollten sich bei berechtigtem Interesse zu der von ihnen durchgeführten Abschlussprüfung äußern und verteidigen dürfen, also von Ihrer beruflichen Verschwiegenheitspflicht befreit werden.

  • Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS) und WPK sollte jeweils ermöglicht werden, bei öffentlichem Interesse über die Einleitung eines berufsaufsichtsrechtlichen Verfahrens berichten zu können.

Bezweifelt wird dagegen, ob ein Beratungsverbot dazu beitragen würde, mit krimineller Energie begangenen Bilanzbetrug aufzudecken. Denn Abschlussprüfer von kapitalmarktorientierten Unternehmen sind schon nach geltendem Recht in ihrer Beratungstätigkeit weitreichend eingeschränkt. Gleiches gilt für einen häufigeren Wechsel des Abschlussprüfers, der sog. Rotation. Gerade bei Wirecard konnte auch im Rahmen einer Sonderprüfung durch eine andere Wirtschaftsprüfungsgesellschaft betrügerisches Handeln offenbar nicht vollständig belegt werden. Schließlich sei die diskutierte Erhöhung der gesetzlichen Haftungsobergrenze für Abschlussprüfungen eher kontraproduktiv, weil dies die bereits vorhandene Marktkonzentration in diesem Segment noch einmal verstärken würde. Die dafür aufzuwendenden hohen Versicherungsprämien könnten dazu führen, dass sich viele mittelständische Wirtschaftsprüferpraxen aus dem Abschlussprüfungsmarkt zurückziehen würden. Das Ergebnis wäre eine systemrelevante Verkleinerung des Prüferpools.